Neues aus der Verbändelandschaft

Werden wir ein Volk der Bequemen?

VSU-Präsident Oswald Bubel sieht einen bedrohlichen Bedeutungsverlust der Arbeit

Arbeit, so lehrt es die Volkswirtschaft, ist die Basis unseres Wohlstandes. Ohne Arbeit entstehen keine Güter, ohne Arbeit entsteht kein Mehrwert, ohne Arbeit entsteht kein Wohlstand. Diese sehr einfachen Wahrheiten geraten in unserer Gesellschaft in beängstigender Weise in Vergessenheit. Anders ist es kaum zu erklären, dass die SPD nun die Forderung vertritt, eine 25-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durchzusetzen. Das hat der Debattenkonvent der Partei, die unsere Ampel-Koalition führt und den Bundeskanzler stellt, Anfang des Monats beschlossen. Wenig arbeiten, aber bitte nichts vom Wohlstand abgeben, diese Haltung nimmt in den vergangenen Jahren zu. Jeder zehnte gibt in Studien an, dass er mit der Einführung eines Grundeinkommens gar nicht mehr arbeiten würde.

Dass Arbeit die Grundlage unseres Lebens ist, dass wir mit Arbeit nicht nur unser eigenes Einkommen, unseren Staat, unser Gesundheitssystem, ganz einfach unsere gesamte Gesellschaft finanzieren – dieses Bewusstsein schwindet.

Die Entfremdung von Arbeit und Wohlstand in der Wahrnehmung unserer Gesellschaft hat ihre Ursachen auch in der Politik. Der Staat begibt sich zunehmend in die Rolle des Garanten für Wohlstand. Sei es mit den Rettungspaketen, die für jedes Risiko – auch normale Lebensrisiken – geschnürt werden, sei es mit einer immer umfassenderen Pflegeversicherung oder einem Bürgergeld, das weit mehr sein soll als soziale Sicherung. Mehr und mehr werden Menschen ihrer Eigenverantwortung enthoben. Dass all dies auch von uns allen erwirtschaftet, also erarbeitet werden muss, gerät in Vergessenheit. Auch die Sozialpartnerschaft hebelt der Staat zunehmend aus, wenn er massiv in die Mindestlohn-Entwicklung eingreift oder verbindliche Homeoffice-Regeln anstrebt, gleichzeitig aber mehr Tarifbindung fordert.

Wie gefährlich die aktuelle Entwicklung ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Ähnliches politisches Agieren hat Deutschland zum kranken Mann Europas gemacht. Die Gewerkschaften konnten in den 80er und 90er Jahren mit dem Rückhalt der Politik völlig überzogene Tarife fordern und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes zur Jahrtausendwende auf einen Tiefpunkt schrumpfen. Der Staat hat gerettet und Rekordarbeitslosigkeit finanziert.

Es besteht die Gefahr, dass wir trotz besseren Wissens diese Entwicklung wiederholen. Die Lohnstückkosten sind in Deutschland im internationalen Wettbewerb an der Spitze. Zunehmend investieren Konzerne in anderen Ländern. Hohe Tarifabschlüsse mitten in der Krise und ein Forderungsbeschluss nach einer 25-Stunden-Woche wirken da wie Brandbeschleuniger. Es ist deshalb an der Zeit, eine Lanze für die Arbeit brechen. Wenn wir international bestehen wollen, dürfen wir uns nicht bequem zurücklehnen, sondern müssen, wie in den Zeiten des Wirtschaftswunders, wieder die Ärmel hochkrempeln und zupacken. Wie wäre es in Zeiten des Arbeitskräftemangels und hoher Inflation sogar mit Mehrarbeit – natürlich mit entsprechendem Lohnausgleich. Auch so könnte Wohlstand gesichert werden.

Und wir sollten die soziale Komponente der Arbeit sehen. Sie ist ja sehr viel mehr als nur Erwerbsgrundlage. Über das Geleistete wirkt sie Identitätsstiftend, sie schafft soziale Netzwerke, bindet Menschen ein und gibt unserem Leben Sinn. Das sollten wir uns wieder mehr ins Bewusstsein rufen.