Neues aus der Verbändelandschaft

Warum wir Ansiedlungen brauchen

Das Saarland ist stark von der Autoindustrie abhängig. Mit dem Wandel hin zur Elektromobilität entstehen neue Geschäftsfelder, die hier im Saarland beheimatet sein sollten. Ein Gastbeitrag von VSU-Hauptgeschäftsführer Martin Schlechter für die Saarbrücker Zeitung.

Deutschland ist ein Industrieland. Gut ein Fünftel aller Sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeitet in der Industrie. Und das Produzierende sowie das Verarbeitende Gewerbe machen fast die Hälfte unserer Bruttowertschöpfung aus. Im Saarland, das traditionell von der Industrie geprägt ist, sind diese Zahlen noch höher.

Allerdings steht die Industrie vor einem großen Umbruch. Im Zuge des Klimawandels findet ein Strukturwandel in den Betrieben statt. Produkte und Verfahren werden umgestellt, der CO2-Ausstoß wird reduziert. Gerade die saarländische Industrie ist davon betroffen, weil ihr Kernprodukt, der Verbrennungsmotor, in einigen ihrer Hauptmärkte infrage gestellt ist. Viele unserer Unternehmen im Land spüren diesen Wandel. Sie müssen nun Geschäftsmodelle hinterfragen und prüfen, inwieweit sie auf die von der Politik geforderte E-Mobilität umstellen können. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass dieser Umbruch auch mit einem Abbau von Arbeitsplätzen einhergeht. Denn ein Elektro-Motor ist weniger komplex als ein Verbrennungsmotor und braucht viel weniger Teile. Entsprechend werden auch weniger Beschäftigte in der Produktion gebraucht.

Das Saarland braucht neue Industrieansiedlungen, wenn es als Ersatz für wegfallende Stellen neue Arbeitsplätze schaffen will. In diesem Zusammenhang ist die geplante Batterieproduktion im Land ein gutes Signal. Nicht nur, dass über diese Ansiedlung mehrere hundert Arbeitsplätze entstehen, sie bringt das Land auf dem Weg zur E-Mobilität einen großen Schritt weiter. Gleichzeitig entsteht auch im Umfeld, bei Handwerks- und Zulieferbetrieben, neue Nachfrage. Weitere Betriebe aus dem Segment können folgen, über begleitende Forschung und Entwicklung kann das Saarland hier neue Kompetenz entfalten. Die volkswirtschaftlichen Langzeitwirkungen betreffen die ganze Region: Nicht nur beim Bau einer neuen Fabrik, auch im laufenden Betrieb werden Partner in der Region benötigt. Die Konsumausgaben der Beschäftigten helfen dem regionalen Handel und die Kommunen profitieren von höheren Steuereinnahmen.

Beunruhigend ist die Diskussion, die aktuell um diese Ansiedlung geführt wird. Es ist unstrittig, dass jede Ansiedlung in diesem Ausmaß eine intensive Prüfung durchlaufen und hohe Planungs- und Sicherheitsanforderungen erfüllen muss. Doch die Auseinandersetzung vor allem um den Neubau in Überherrn findet weniger auf Basis von Fakten als vielmehr von Emotionen statt. Hier gilt es, auf eine sachliche Grundlage zurückzukehren. Szenarien, die sich auf Befürchtungen, Vermutungen und Unterstellungen gründen, sind nicht geeignet, eine Ansiedlung infrage zu stellen. Die politischen Gemeindevertreter vor Ort stehen hier in einer besonderen Verantwortung und müssen unter besonderem Druck von Bürgerinitiativen entscheiden. Trotz dieses Drucks ist es wichtig, dass sich die Gemeindevertreter bei der Beurteilung der Verfahren weniger auf einzelne Stimmen und Stimmungen als vielmehr auf Gutachten, Planungsdaten und vertragliche Zusicherungen verlassen.

Die Diskussion um die SVolt-Ansiedlung ist auch deshalb brisant, weil sie ein Signal in die Republik sendet. Sollte der Neubau tatsächlich aufgrund von Protesten jenseits der Faktenlage scheitern, beschädigt dies massiv das Image des Saarlandes als Industriestandort. Es ist zu fürchten, dass unser Land bei künftigen Vorhaben dann nur noch eine Außenseiter-Rolle spielen wird. Das können wir uns als Industrieland nicht wünschen und auch nicht leisten. Deshalb braucht es ein starkes Signal aller Beteiligten, von der Politik ebenso wie von Gewerkschaften und Unternehmen, dass das Saarland auch in Zukunft Industrieland bleibt und als Industrieland Zukunft hat.